Beverungen/Kreis Höxter. Bei der Podiumsdiskussion am Mittwoch in der Beverungener Stadthalle herrschte Einigkeit: Alle Parteifarben, ob Schwarz, Rot, Grün oder Gelb haben das Ziel, das Atommülllager in Würgassen zu verhindern.
55 Teilnehmer folgten der Einladung der BI Lebenswertes Bördeland und Diemeltal, um ihre Bedenken und Sorgen direkt mit den Kandidaten der NRW-Landtagswahl zu diskutieren. Hubertus Hartmann moderierte die Podiumsdiskussion von. Große Kontroversen blieben bei der Fragerunde an die Kandidaten aber aus: Die Einschätzung einer mangelhaften Standortauswahl ist parteiübergreifend Konsens.
Ergebnis eines politisch motivierten Auswahlverfahrens
BI-Mitglied Edith Götz gab einen kurzen Rückblick über Entscheidungen, die der Projektplanung vorausgegangen waren. Der Standort Würgassen sei als Ergebnis eines politisch motivierten Auswahlverfahrens u.a. durch die Übereinkunft, niedersächsische Standorte nicht weiter durch Atommüll zu belasten, zustande gekommen. Sie erinnerte an die Rolle des niedersächsischen Umweltministeriums beim Bestreben, im Vorfeld ein Bereitstellungslager für Schacht Konrad von der Region Salzgitter und dem Bundesland Niedersachsen „wegzuschieben“. Dass man insbesondere dem niedersächsischen Südkreis Holzminden und der angrenzenden Region, die schon durch das AKW eine große Last getragen habe, nun die Atommüllfässer „über den Zaun werfe“, sei nicht hinnehmbar.
Nicht nachvollziehbares Scoring und intransparente Kriterien
Als nicht nachvollziehbar bewertet sie das Scoringverfahren. Dieses hat mit fehlerhaften und intransparenten Kriterien, ohne wissenschaftlichen Review und öffentlichen Diskurs zur Auswahl von Würgassen geführt. Notwendige Kriterien der Entsorgungskommission würden vom Standort Würgassen nicht erfüllt. Andere Kriterien wurden dagegen geändert oder nicht nachvollziehbar gewichtet, um Würgassen dennoch als vermeintlich „besten“ Standort auswählen zu können. Für ein Projekt von derartiger Tragweite habe die Planung nicht genügend Resilienz, wenn bereits kleinste Korrekturen zu vollkommen anderen Ergebnissen führten.
Engagierte Bundestagsmitglieder im Weserbergland
Nora Wieners, Kandidatin der SPD, machte deutlich, dass sie persönlich das Zwischenlager in Würgassen ablehne, und dabei starke Unterstützung in ihrer Partei sehe. „Wir haben engagierte Bundestagsmitglieder im Weserbergland.“ Bedenken wurden von der Bürgerinitative angesichts personeller Verbindungen der BGZ zum Gutachter TÜV Nord und potentieller Interessenkonflikte des niedersächsischen Umweltministeriums als Auftraggeber der Transportstudie geäußert.
Das Logistikgutachten der Länder NRW und Niedersachsen
Das Logistikgutachten wurde von den Ländern NRW und Niedersachsen in Auftrag gegeben. Es soll grundsätzlich klären, ob eine Abwicklung auch ohne Bereitstellungslager denkbar sei. Ein Szenario, das in den Betrachtungen der BGZ bislang ausgeklammert war. Das Ergebnis sehe man laut Ministerien allerdings nicht in Beton gemeißelt, sondern als Diskussionsgrundlage. Die Standortfrage muss gänzlich neu bewertet werden.
Große Diskussionen wegen der Taktverdichtung
Matthias Goeken sitzt für die CDU im NRW-Landtag in den Ausschüssen für Wirtschaft, Energie und Verkehr. Auch er bekräftigte seine grundsätzlich ablehnende Haltung dem Bereitstellungslager. Er sehe erhebliche Probleme bei der Verkehrsinfrastruktur. „Die Bahnstrecken sollen geeignet sein, aber es gibt schon große Diskussionen wegen der Taktverdichtung.“ Er hält den Standort an der Weser für grundsätzlich ungeeignet. „Aus unternehmerischer Sicht würde niemand am Standort Würgassen ein Logistiklager bauen.“ Zudem sieht er Probleme mit den Baukosten: „Das ist ein Milliardenprojekt.“
Staatssekretäre des Umweltministeriums besuchen Würgassen
Würgassen steht sogar im Landeswahlprogramm der Grünen, machte Uta Lücking klar. Das Thema sei der Partei wichtig. „Wir werden das Standortverfahren kritisch begleiten. Der Schutz der Bevölkerung muss höchste Priorität haben.“ Dazu will die Politikerin der Grünen auch ihre politischen Kontakte in der Partei nutzen, um im Umweltministerium auf die Probleme hinzuweisen. Zwei Staatssekretäre des Bundesumweltministeriums haben ihren Besuch für den 24. Mai am Standort Würgassen angekündigt
Auch aus Sicht von Jan Gerrit Möltgen (FDP) muss die Standortfrage vollkommen neu bewertet werden. „Seit Beginn des Verfahrens wurden von der BGZ schon viele Fehler gemacht“, unterstrich der Borgholzer. Er vertrat den FDP-Landtagskandidaten Friedrich-Wilhelm Hörr auf dem Podium.
Sicherheitsfragen in Zeiten eines Krieges
Die Sicherheitsfrage muss in Zeiten eines Krieges in Europa neu diskutiert werden. Darauf wies Josef Jacobi hin: „Ein zentrales Atommülllager vor Ort – wenn da eine Rakete reingeschossen wird, dann haben wir eine Atombombe“, befürchtet das BI-Vorstandmitglied. Auch die zu erwartenden hohen Transportkosten seien nicht tragbar. Da seien neue, intelligentere Lösungen der Logistik gefragt.
„Jahrtausendfluten werden zu Jahrzehntfluten“.
Auch die Hochwassergefahr sorgt weiterhin für Bedenken. Nicht zuletzt wegen des immer deutlich sichtbarer werdenden Klimawandels. So werde prognostiziert, dass bis zum Ende des Jahrhunderts durch den Anstieg des Meeres selbst einige Inseln verschwinden werden. „Jahrtausendfluten werden zu Jahrzehntfluten“. Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass der Standort „auch mit den bestehenden Hochwasserkarten schon obsolet ist“.
BGZ hat all ihre Glaubwürdigkeit verspielt
Aus dem Zuschauerraum wurde auch auf fehlende Transparenz im Verfahren hingewiesen. Hier habe die BGZ all ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Es bestehe auch die Gefahr, dass ohne Baugenehmigung, die dem Regionalplan widerspreche,gebaut wird und nachträglich die Gesetze passend geändert würden. Wenn politische Entscheidungen so getroffen würden, sei die Demokratie in Gefahr.
Auch das Baurecht spricht gegen Würgassen
Beverungens Bürgermeister Hubertus Grimm griff die Bedenken auf. Er verwies darauf, dass bei der Abwägung der Standorte gravierende Fehler begangen wurden. Die baurechtliche Situation: „Derzeit liegt kein Baurecht vor und die BGZ würde eine Ablehnung vom Kreis Höxter bekommen. Die BGZ ist gar nicht im Verfahren.“ Das ließe sich nur ändern, wenn Gesetze geändert würden oder die Bundesrepublik Deutschland gegen den Kreis Höxter als Planungsbehörde klage. „Und das wäre ein Skandal.“